Kigali
Allgemeine Information
Kigali, Hauptstadt der ostafrikanischen Präsidialrepublik Ruanda, ist Dreh- und Angelpunkt des politischen und wirtschaftlichen Lebens des Landes. Die Stadt ist zugleich Symbol für den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land nach dem Genozid vor über 25 Jahren erlebt.
Im geographischen Zentrum des kleinen Binnenstaates auf 1.645 Metern gelegen, herrscht durch die Höhe trotz der Nähe zum Äquator das ganze Jahr über ein mild-feuchtes Klima. Kigali wurde an der Stelle begründet, an der der erste deutsche Resident Richard Kandt um 1900 seinen Verwaltungssitz hatte. Heute ist die Millionenstadt zugleich die größte Stadt des Landes, wobei Ruanda insgesamt zu den afrikanischen Ländern mit der höchsten Bevölkerungsdichte gehört.
Die Stadt präsentiert sich als pulsierende globale Großstadt und expandiert mit dem Ziel, ihre Attraktivität als Wirtschaftszentrum zu erhöhen, indem Infrastruktur für Investoren und Kongresse geschaffen wird. Moderne Hochbauten, Hotels, Computerläden, Boutiquen, Einkaufszentren, Restaurants und Coffee-Shops sind zudem Ausdruck von modernem Leben und Lifestyle. Aber auch Freizeiteinrichtungen steigern die Attraktivität der Stadt: Mit dem 1989 eingeweihten Amahoro Stadion für 30.000 Besucher besitzt Kigali eine zentrale Sport- und Großveranstaltungsstätte. 2019 erhielt Kigali zusätzlich eine Indoor Arena mit 10.000 Plätzen für Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen und Sportevents.
Kigali gilt als eine der saubersten Städte Afrikas. Die Straßen und öffentlichen Flächen werden täglich gereinigt und bereits 2008 wurde ein Plastiktüten- und Verpackungen-Verbot überall in Ruanda eingeführt. Zu den wichtigsten Transportmitteln gehören Kleinbusse und zahllose Motorrad-Taxis. Um den innerstädtischen Individualverkehr zu reduzieren, sieht der Masterplan 2040 einen effektiven öffentlichen Personennahverkehr mit Bus- und Fahrradspuren vor. Zusätzlich werden, zum Beispiel gemeinsam mit VW, integrierte elektrobasierte Mobilitätskonzepte, wie carsharing, entwickelt.
Die Hauptstadt ist Knotenpunkt für das nationale Verkehrsnetz. Mehrere große Busunternehmen bieten Fahrten von Kigali in alle größeren Städte des Landes sowie in die Nachbarländer Burundi und Uganda an
Die Hauptstadt wächst dynamisch weiter, wodurch sich nicht nur das bestehende große Stadt-Land-Gefälle verstärkt, sondern auch der Bevölkerungsdruck steigt. Zu den dringendsten Problemen zählt daher die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum, zumal bei einem bis 2040 erwarteten Bevölkerungszuwachs um das Dreifache. Entsprechend entstehen in den Vorstädten "Gated Communities", geschlossene Wohnanlagen für die aufkommende Mittelschicht, aber auch mehr und mehr Luxus-Einfamilienhäuser, wenngleich sonst das eingeschossige ruandische "Einheitshaus" aus Lehm dominiert. Gemäß Erlass der Regierung von 2008 wurde dieses, meist mit Wellblech gedeckte, rechteckige eingeschossige Haus zum Ersatz für die traditionelle runde Hausform mit einem kegelförmigen Strohdach.
Der Masterplan für die Stadt sieht bis 2040 eine Dezentralisierung von Geschäfts- und Einkaufszentren vor, die Errichtung von weiteren Hochhäusern und Apartmentanlagen aber auch Grünflächen und Fußgängerbereichen. Der Ausbau der Stadtteile drängt jedoch die ärmeren Bevölkerungsschichten weiter an den Rand und lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch deutlicher auseinanderklaffen.
Sehenswürdigkeiten
Kigali ist eine aufstrebende Stadt mit zahlreichen Beispielen moderner Architektur, zu denen neben dem Flughafen aus den 80er Jahren, der aktuell erweitert wird, auch das 2016 eröffnete Kigali Convention Center gehört. Die drei wesentlichen Funktionseinheiten des KCC sind in einem 12,6 ha großen Campus zusammengefasst, der seinerseits von einer Parklandschaft umschlossen wird: Das Convention Hotel und der IT-Office Park flankieren das Konferenzzentrum mit 2.600 Sitzplätzen. Das 5-Sterne Hotel Radisson Blu Kigali hält 292 Zimmer bereit und der Informations- und Technologiepark wird 32.200 qm Ausstellungsfläche bieten. Das Gesamtprojekt realisierte der deutsche Architekt Prof. Roland Dieterle. Die Kuppelkonstruktion des Convention Centers entwarf er als dynamisch ansteigende stützenfreie und begehbare Spiral-Konstruktion, die das Motiv der traditionellen ruandischen Rundhauses aufgreift. Die Gesamtanlage gilt auch als Beispiel für nachhaltiges Bauen in tropischen Regionen. Vor allem bei Einbruch der Dunkelheit beeindruckt ein Besuch, wegen der futuristisch anmutenden Illumination des Kuppelgebäudes.
Der 20 Stockwerke hohe 2011 fertiggestellte Kigali City Tower ist das höchste Gebäude der Stadt und des ganzen Landes. Er beherbergt neben Büroräumen ein Einkaufszentrum mit Cafés und Restaurants sowie einen großen Kino-Komplex. Von der Rooftop Rendevouz Bar and Grill des Ubumwe Grande Hotel hat man einen Panoramablick auf die Innenstadt Kigalis.
Das Rwanda Art Museum liegt außerhalb des Stadtkerns. In der ehemaligen Präsidentenresidenz werden Exponate zur Geschichte Ruandas gezeigt.
Zahlreiche unterschiedliche Einkaufsmöglichkeiten bieten sich in der Hauptstadt des Landes. Mit einem Einkauf im Laden des Nyamirambo Women’s Center (NWC) zum Beispiel unterstützen Besucher eine ruandische NGO, die zum Schutz von Frauen vor Gewalt, Diskriminierung und Ungleichheit gegründet wurde. Verkauft wird selbst hergestelltes ruandisches Kunsthandwerk, Dekorationsartikel und Schmuck, aber auch Kinderkleidung. Das Zentrum bietet zusätzlich Näh- und Kochkurse, sowie Kurse im Korbflechten für Touristen an.
Das Inema Arts Center, ein Kulturzentrum mit Workshops und Kursen, offeriert Kunstwerke von ruandischen freischaffenden Künstlern. In Kigali hat sich eine Kreativszene entwickelt, die nicht nur im Bereich Mode sondern auch zunehmend im Interior Design traditionelle ruandische Gestaltungsakzente setzt. In den verschiedenen Stadteilen entstanden viele kleine Kleidermanufakturen und Designläden.
Das Kandt-Haus Museum befindet sich seit 2006 in dem ehemaligen, 1908 errichteten Wohnhaus des Residenten Richard Kandt. Vormals ein naturhistorisch ausgerichtetes Museum, wurde es zum 150. Geburtstag Richard Kandts 2017 auf Initiative der Partnerschaft mit Rheinland-Pfalz und mit Mitteln des Auswärtigen Amtes neu gestaltet. Dieses letzte bauliche Zeugnis der deutschen Kolonialzeit in Kigali präsentiert nun die Geschichte Ruandas zur Zeit der deutschen Kolonialverwaltung. Nach der Neuausrichtung gibt das Museum insbesondere Einblicke in die Traditionen und das Leben in Ruanda um 1900. Außerdem hat man von hier aus einen großartigen Blick zu den drei Bergen (Mt Kigali, Mt Jali and Mt Shyorongi).
Die weltweit beachtete Gedenkstätte, Kigali Genocide Memorial, ist die Zentrale von insgesamt etwa 200 Einrichtungen dieser Art im Land. Die Gedenkausstellung beschreibt neben dem Völkermord und seinen Folgen bis in die Gegenwart die Geschichte des Landes, die dem Ereignis von 1994 vorausging. Außerdem werden andere Völkermorde des 20. Jahrhunderts thematisiert. Das Kigali Genocide Memorial ist die letzte Ruhestätte für mehr als 250.000 Opfer des Genozids an den Tutsi. Die Einrichtung betreibt aktive Friedens- und Gedenkarbeit mit zahlreichen Programmen und unterhält ein Genocide Archive, um die Ereignisse 1994 in Ruanda zu dokumentieren.
In diesen Zusammenhang gehört auch das Hôtel des Mille Collines, ein 1973 eröffnetes Hotel in Kigali, das während des Völkermords in Ruanda 1994 mehr als 1200 Menschen Zuflucht und damit die Rettung vor dem sicheren Tod bot.
Universitäten und Schulen
Bildung wird in Ruanda als Schlüssel für die Entwicklung des Landes und den wirtschaftlichen Aufschwung gesehen, sodass hier viel investiert wird. Die ersten neun Schuljahre etwa sind Schulgeld frei. Darüber hinaus verstärkt die ruandische Regierung in den letzten Jahren die berufliche Ausbildung, um den großen Bedarf an Handwerkern zu decken. Das Land besitzt insgesamt 14 Hochschulen und Universitäten, wobei in Kigali der Hauptsitz der "University of Ruanda" ist, die 2013 aus sechs ehemals voneinander unabhängigen Universitäten und Hochschulen des Landes gebildet wurde. Auch an der Errichtung einer neuen Architekturfakultät des Colleges of Science and Technology der University of Rwanda Kigali können die Investitionen in das Bildungswesen abgelesen werden. Der gestalterisch und ökologisch ambitionierte Gebäudekomplex von Patrick Schweitzer & Associés aus Straßburg wurde 2017 fertiggestellt.
Um die Hauptstadt Kigali zu verstehen, ist ein Blick auf das Land als Ganzes hilfreich.
Land und Leute, Kultur und Religion
Im "Land der 1.000 Hügel", das aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit eigentlich "Land der 7.000 Hügel" heißen müsste, leben über zwölf Millionen Menschen. Die Fläche Ruandas ist vergleichbar mit der von Rheinland-Pfalz und dem Saarland – allerdings zählt unser Bundesland nur ein Drittel an Einwohnern.
Amtssprachen sind Kinyaruanda, daneben Französisch, Englisch aber auch Swahili. Englisch hat seit 2009 Französisch als erste Fremdsprache in der Schule und als Amtssprache in der Verwaltung abgelöst.
Die Mehrheit der Bevölkerung Ruandas lebt nicht in Städten oder Dörfern, sondern in Streusiedlungen mit Einzelgehöften, die von einer eigenbewirtschafteten Landparzelle umgeben sind. Eine allmähliche Veränderung dieser althergebrachten Streusiedlungsweise hin zu Ansiedlungskonzentrationen ist jedoch zu beobachten. Dadurch wird die Versorgung mit Strom und Wasser erleichtert ebenso wie sich die Wege zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen verkürzen. Ackerflächen werden zusammengefasst und von Kooperativen bearbeitet.
Ruanda ist ein sehr junges Land. Fast die Hälfte aller Ruanderinnen und Ruander sind unter 18 Jahre alt, sogar 70% unter 25 Jahren. In Ruanda gilt eine Frauenquote von 30 Prozent für das Parlament - mittlerweile hat es mit fast 60 Prozent weltweit den größten Frauenenteil. Dennoch ist Gleichberechtigung immer noch Ziel: Viele Frauen orientieren sich im privaten Leben an überkommenen Rollenbildern.
Um eine nationale ruandische Identität zu fördern, besinnt man sich in Ruanda auf die eigene Tradition und die eigenen Werte. Hierzu gehören etwa Ubudehe (gesellschaftliche Solidarität), Imihigo (Leistungsvertrag), Itorero (Erziehung zu ruandischen Werten), Gacaca (Basisgerichte) sowie Umuganda (Gemeinwesenarbeit). Wie in ganz Ruanda ist auch in Kigali am letzten Samstag im Monat Umuganda, der gemeinschaftliche Kehrtag. Umuganda heißt übersetzt "zusammen halten und sich gegenseitig helfen". Die Gemeinschaftsaktivität stärkt das soziale Miteinander, wenn zum Beispiel gemeinsam eine Mauer in Stand gesetzt, ein Straßenabschnitt ausgebessert oder auch ein Feld angelegt wird. Gacaca ist die Basisform der Gerichtsbarkeit und eine traditionelle Art der Konfliktlösung innerhalb der Bevölkerung, bei der ehemalige, aufgrund ihrer Integrität allseits geschätzte Würdenträger den Vorsitz führen, zwar auch bestrafen, aber mehr noch schlichten mit dem Ziel der Wiederherstellung eines friedvollen Miteinanders. Gacaca spielten bei der Aufarbeitung der Greuel des Genozids von 1994 eine große Rolle.
Elementarer Bestandteil der ruandischen Kultur ist der traditionelle Tanz Intore mit Trommel- und Gesangseinlagen.
Zu den traditionellen, bis heute ausgeübten Künsten gehören das Flechten von Matten und Körben und die Herstellung von Imigongos. Die Reliefs aus Vieh-Dung, meist mit geometrischen Mustern, sind mittlerweile zum Markenzeichen für Ruanda geworden. Theater und bildende Künste (Malerei, Skulptur) gehören nicht zu den traditionellen Künsten, verbreiten sich aber zunehmend in der ruandischen Kultur. So auch moderne Pop- und Rap-Musik, die ruandisch interpretiert wird. Der Einzug aktueller Jugendkultur äußert sich auch in der Errichtung von Skate- und Inlinerparks. Ein erster Skatepark in Kigali wurde 2016 fertiggestellt.
Christliche Religionen überwiegen in Ruanda. So machen Katholiken 51% der Gesamtbevölkerung aus, Protestanten 26%, Adventisten 11%, Muslime 10% und 3% gehören anderen Religionen an. In der traditionellen Religion Ruandas wurde, ungewöhnlich für Subsahara-Afrika, nur ein Gott verehrt, der jedoch nie bildlich dargestellt wird. Seinen Namen, Imana, verwenden die Ruander auch heute für den christlichen Gott. In Ruanda sind Maskenkultur und figürlichen Darstellungen unbekannt.
Essen und Trinken
Die wichtigsten traditionellen Nahrungsmittel in Ruanda sind Kochbananen, Bohnen, Reis, Mais, Maniok Bugali und Süßkartoffeln, aus denen ein fester Brei zubereitet wird, serviert meistens mit einer Soße aus verschiedenen Gemüsen und gelegentlich Fleisch. Aus den Blättern der Maniokwurzeln wird Isombe hergestellt, das alternativ zu den üblichen Soßen gegessen wird, dazu kann getrockneter Fisch kommen. Beliebt sind auch frittierte dreieckige Teigtaschen, die Sambusas. Fleisch ist in Ruanda sehr teuer, sodass es für viele Ruander nur selten auf dem Speiseplan steht. Mit steigendem Wohlstand wächst jedoch auch hier der Fleischkonsum.
Bezeichnend ist daher der Name des Fleischgerichts Aka Benz, eines Tellers mit unterschiedlich zubereitetem Schweinefleisch, das mit verschiedenen Soßen und Beilagen serviert werden kann. Sein Name kommt angeblich von den vor dem Restaurant parkenden Mercedes Benz, vielleicht auch ganz allgemein von der Hochwertigkeit von Fleisch. In den zahllosen Restaurants und Imbissläden der Hauptstadt Kigali stehen neben landestypischen Gerichten mehr und mehr internationale Spezialitäten auf der Speisekarte.
Das traditionelle Bier wird aus Sorghum oder aus Bananen hergestellt. In einigen Regionen von Ruanda wird auch Bananenwein getrunken. Bralirwa, eine Tochtergesellschaft von Heineken mit den Marken Primus und Mützig teilt sich seit 2012 mit Skol International ltd. den ruandischen Bier-Markt. Charakteristisch für den wirtschaftlichen Aufschwung und den Unternehmergeist der Bevölkerung Ruandas ist das Beispiel der jungen Unternehmerin Assumpta Uwamariya, die vor einigen Jahren aus Rote Bete einen erdigen Rotwein unter dem Namen Karisimbi kreiert, den sie heute in diversen afrikanischen Ländern, aber auch international, unter anderem nach Deutschland, verkauft. Probieren sollte man natürlich unbedingt den in Runda angebauten Kaffee und Tee.
Geschichte
Ruandas Geschichte ist bis zum 15. Jahrhundert wegen fehlender Schriftzeugnisse schwer zu rekonstruieren. Es lässt sich jedoch feststellen, dass das Gebiet durch unterschiedliche Gruppen und in unterschiedlichen Wellen besiedelt worden ist, die nach und nach eine gemeinsame Kultur und eine gemeinsame Sprache, das Kinyarwanda entwickelt haben. Allmählich bildeten sich die Begriffe Hutu, Tutsi und Twa. Sie gehen auf soziale und familiäre Unterscheidungen zurück und bezeichnen damit verschiedene Stände. Als Herrschaftsstruktur entwickelten sich Königreiche, die Ende des 19. Jahrhunderts in einem zentralen Königreich mündeten.
1888 wird Ruanda offiziell Teil der Kolonie Ostafrika des Deutschen Reiches, wobei die Autonomie der Ruander weitestgehend erhalten blieb. 1923 erhielt schließlich Belgien das Gebiet als Verwaltungsmandat des Völkerbundes. Die Belgier intensivierten ihre Kontrolle über die Kolonie. In der Konsequenz verheerend war die Einführung von Personalausweisen mit Eintragungen, zu welcher Gruppe die jeweilige Person gehörte (Hutu, Tutsi, Twa). Das sozial durchlässige Schichtensystem wurde so zur unverrückbaren ethnischen Kategorie. Gleichzeitig wurden die Tutsi besonders in der höheren Ausbildung gefördert und fanden so Anstellungen in der belgischen Kolonialverwaltung.
Seit 1957 entstand in Hutu-Kreisen eine Emanzipationsbewegung, die sich sowohl gegen die belgische Kolonialmacht, als auch gegen die Monarchie und die Tutsi als herrschende Elite richtete. In der Folge kam es 1959 zu einem Aufstand, der 20.000 Tote forderte. 1962 wurde Ruanda unabhängig. Bereits 1964/1965 ereigneten sich umfangreiche Massaker an den Tutsi, bis 1994 die andauernden Konflikte zwischen Hutu und Tutsi mit unbeschreiblicher Macht und Grausamkeit eines Genozids erneut aufbrachen. Auslöser war der Tod des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana und anderer Politiker durch einen Flugzeugabsturz am 6. April. In den folgenden hundert Tagen wurden Schätzungen zufolge zwischen 800.000 und einer Million Menschen, vor allem Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu ermordet. Durch gezielte Demagogie gegen die Tutsi kam es zu Gewaltorgien, die bis in die Familien hineinwirkten. Am 4. Juli 1994 wurde der Bürgerkrieg für beendet erklärt. Infrastruktur, Wirtschaft und vor allem auch die öffentliche Verwaltung lagen danieder. Massenfluchten von 2 Millionen Ruandern in angrenzende Länder waren die Folge, aber auch die Furcht vor einem erneuten Aufflackern der Gewalt trieb die Menschen aus ihrer Heimat.
Der Neuanfang in Ruanda seit 2000 ist durch die Präsidentschaft von Paul Kagame gekennzeichnet, der die Regierung und öffentliche Verwaltung autoritär führt. Die "Vision 2020" wurde Grundlage der neuen Regierung. Für einen nationalen gesellschaftlichen Neubeginn verbot man die Verwendung der Begriffe Hutu, Tutsi und Twa. "Wir alle sind Ruander" ist die neue Devise. Basis für den Aufschwung ist die Aussöhnung nach dem Genozid vor 25 Jahren, auch wenn immer noch viele Verantwortliche für den Völkermord unverurteilt im Exil leben. Wirtschaftliche Belange haben Priorität. Das landwirtschaftlich geprägte Ruanda soll zu einer IT-basierten Dienstleistungsgesellschaft und gleichzeitig Innovationsführer in Afrika werden. Aufgrund seiner politischen Stabilität und seiner durchsetzungsfähigen politischen Führung hat Ruanda ein Teil der Ziele seiner Vision 2020 erreicht.
Hier erfahren Sie weitere interessante Daten aus der jüngeren Geschichte, insbesondere auch zum Bürgerkrieg www.rlp-ruanda.de
Wirtschaft
Gerade Kigali als Sonderwirtschaftszone entwickelt sich zu einem dynamischen Standort, wobei der Dienstleistungssektor immer wichtiger wird. Für den Umbau der Wirtschaft wird auf die neuen Kommunikationstechnologien gesetzt. Das Smartphone MARA etwa wird vollständig in Ruanda produziert. 2018 wurde in Kigali ein VW-Werk eingeweiht und 2019 der E-Golf als Ergebnis einer Partnerschaft zwischen der ruandischen Regierung und dem Volkswagenkonzern auf den afrikanischen Markt gebracht. Außerdem werden zusammen mit VW integrierte Mobilitätskonzepte entwickelt, womit Ruanda führend in Afrika ist. Zudem wird in die Start-Up Szene investiert - hier vor allem im IT Bereich.
Faktoren, die dem Ausbau der Wirtschaft und der Schaffung von Infrastruktur hemmend entgegenstehen, wie die topographischen Gegebenheiten und die schwierige Verkehrslage als Binnenland, wirkt man mit Technologie-Lösungen entgegen. So werden zum Beispiel Drohnen für die Versorgung ländlicher Regionen mit Medikamenten von Kigali aus eingesetzt. Für die Energiegewinnung, als eine Voraussetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs, nutzt man zunehmend ressourcenschonende Quellen wie Wasserkraft, Methangasförderung, Biogas und vor allem Solarenergie. Erste Schritte zur Gewinnung von Solarenergie wurden mit Hilfe der Mainzer Stadtwerke AG unternommen.
Trotz des Zuzugs in die Städte, allen voran nach Kigali, leben dreiviertel der Bevölkerung Ruandas immer noch von Landwirtschaft und Viehzucht, wobei Subsistenzwirtschaft dominiert. Das sehr hohe Bevölkerungswachstum führt zu einer Verknappung und zur Übernutzung des Bodens. Mit großflächig angebauten Agrarprodukten wie Kaffee und Tee werden rund 50% der Exporterlöse erzielt. Zu den agrarischen Exporten zählen darüber hinaus Pyrethrum (Blüten zur Herstellung von Insektiziden), Blumen und Chinarinde in geringen Mengen. Die Verarbeitung findet jedoch unter schwierigen Rahmenbedingungen statt. Auch der Bergbausektor bringt Devisen ins Land. Das bei der Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops benötigte Coltan sowie wird Kassiterit, Wolframit und geringe Mengen an Gold werden in der Kivusee-Region abgebaut. Coltan gilt als Konfliktmineral, weil es in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo unter Missachtung der Menschenrechte und in Kriegsgebieten gewonnen wird. Durch Zertifizierungen versucht man den Ursprung der Konfliktmineralien transparenter zu machen, wovon der ruandische Bergbau profitiert.
Hoffnungen setzt man auch in den Fremdenverkehr. Initiativen für einen "sanften" Tourismus richten sich vor allem auf die drei Nationalparks Ruandas, in denen die ursprüngliche Flora des Landes bewahrt wurde: Der Virunga-Vulkanpark mit dem 4.500 Meter hohen Karisimbi, der Akagera-Nationalpark und der Nebelwald Nyungwe.
Vegetation und Tiere
Wegen seiner intensiven Nutzung und um Anbau- und Weideflächen zu schaffen, ist der Anteil des Waldes an der Landesfläche mittlerweile von 65 Prozent auf 8 Prozent geschrumpft. Mit einem Wiederaufforstungsprogramm und der Ausweitung von Naturreservaten soll dem entgegengewirkt werden.
Im Virunga Nationalpark leben die aus der Verfilmung des Lebens von Diane Fossey bekannten Berggorillas, die letzten ihrer Art weltweit. Das ganze Gebiet steht unter strengem Schutz, wenn auch ein- bis zweitägige Touren zu den Gorillas möglich sind. Dank der Schutzmaßnahmen konnte der Bestand wieder anwachsen, dennoch sind die Tiere weiterhin durch Wilderei bedroht.
In der trockenen Savannenregion im Osten des Landes befindet sich der Akagera-Nationalpark. Er ist durchzogen von weitläufigen Buschsavannen. Durch gezielte Wiederansiedlung von Wildtieren wird der ursprüngliche Artenreichtum mit Großwild wie Elefanten, Nashörnern, Nilpferden und Giraffen, aber auch Antilopen, Zebras, Büffel, Impalas, Warzenschweinen, Affen und Kronenkranichen, allmählich wiederhergestellt.
Der Nyungwe Berg-Nebelwald im Südwesten des Landes hat einen hohen ökologischen Wert, gewissermaßen als Wasserspeicher Ruandas. Dank der großen Vielfalt an Pflanzenarten ist er Heimatstätte für unterschiedliche Tierarten wie Amphibien, Reptilien, Schimpansen und diverse Vogelarten.
Entwicklung der Städtefreundschaft
Seit 1982 pflegt Rheinland-Pfalz eine so genannte "Graswurzelpartnerschaft" mit Ruanda, eine Partnerschaft von Mensch zu Mensch. Im Rahmen dieser Landespartnerschaft intensivierten sich Kontakte von Mainzer Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und Schulen sowie der Verwaltung der Landeshauptstadt Mainz mit Ruanda. Seit Beginn der 1990er Jahre bis heute unterstützt die Landeshauptstadt vielfältige Hilfsprojekte, so etwa den Ausbau von Bibliotheken oder Projekte zur Verbesserung von Ausbildungschancen junger Ruanderinnen und Ruander. Im Jahr 2007 wurde eine Vereinbarung zwischen den Städten Kigali und Mainz durch den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel und Kigalis Oberbürgermeisterin Dr. Aisa Kirabo zur Vertiefung der Zusammenarbeit geschlossen. Seither ist der Mainzer Verein Human Help Network bei zahlreichen Initiativen vor Ort tätig. Daneben besteht bereits seit 1994 zwischen dem Otto-Schott-Gymnasium Gonsenheim und der Primarschule Mburabuturo/Kigali eine lebendige Schulpartnerschaft. 2018 übernahmen die Kinder der Dr. Martin Luther-King-Grundschule in Mainz Patenschaften für ruandische Kinder, ebenso verschiedene Klassen der Berufsbildenden Schule III in Mainz. Das aktive Netzwerk wird ständig erweitert und ausgebaut, auch außerhalb von Kigali. So hat das Mainzer Frauenlob-Gymnasium eine Partnerschule Lycée de Rusatira im Süden Ruandas.
Der Freundschaftskreis Mainz/Kigali, der seine Geschäftsstelle im Naturhistorischen Museum Mainz hat, pflegt seit mehr als 10 Jahren eine Partnerschaft mit dem Kandt-Haus Museum in Kigali. Seit 2015 besteht zudem eine institutionelle Partnerschaft zwischen dem ruandischen Institut für staatliche Museen (ISMR) und dem Naturhistorischen Museum Mainz zum Zweck des "Interkulturellen Austauschs und der Weiterbildung der ruandischen Museumsmitarbeiterinnen und Museumsmitarbeiter im Bereich museumspädagogischer Arbeit".
Am 22. Januar 2018 nahm die Kindertagesstätte IMANZI "City of Mainz" in Kigali ihren Betrieb auf. Sie wurde aus Spendenmitteln des Freundschaftskreises, der Landeshauptstadt Mainz, Human Help Network e.V. und der Aktion Tagwerk gefördert. Ziel ist es, vor allem benachteiligten Familien aus armen Lebensverhältnissen zu helfen und Alleinerziehenden zu ermöglichen, eine Ausbildung zu absolvieren oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, während gleichzeitig ihre Kinder gut betreut sind. Die offizielle Einweihung erfolgte am 1. Oktober 2018 durch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Die Landeshauptstadt Mainz fördert darüber hinaus Einzelprojekte der "Les Enfants de Dieu" in Kigali, eines 2002 gegründeten Reintegrationszentrums für Straßenkinder. Kinder und Jugendliche erhalten hier die Möglichkeit, in einen geregelten Alltag zurückzufinden, der ihnen Halt und Orientierung bietet. Sie können im Zentrum wohnen, zur Schule gehen und an verschiedenen Freizeitaktivitäten teilnehmen. Ein besonderes Merkmal des pädagogischen Konzepts von "Les Enfants de Dieu" ist das Prinzip der Partizipation, das heißt, dass die Jugendlichen die Gesamtabläufe im Zentrum selbst mitgestalten und bei konkreten Maßnahmen mitarbeiten.
Die seit 1985 bestehende Partnerschaft zwischen den beiden Universitäten Mainz und Kigali wurde im Juni 2014 erneuert. Die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre wird vor allem zwischen dem Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität und der School of Governance (im College of Arts and Social Sciences CASS) der University of Rwanda, Kigali gepflegt. Die Katholische Hochschule in Mainz baut derzeit seine Kooperation mit der Catholic University of Rwanda in Butare/Huye aus.
2018 ging ein erfolgreiches Projekt von Mainz 05 und anderen deutschen Fußballvereinen zu Ende, bei denen Kinderfußballtrainer und -trainerinnen aus Kigali und ganz Ruanda im Rahmen der Football Club Social Alliance (FCSA) ausgebildet wurden. Nach Ruanda geflüchtete junge Menschen aus Burundi und der Demokratischen Republik Kongo erhielten ein Training, um wiederum selbst als Multiplikatoren andere geflüchtete Jugendliche zu trainieren. Die Fußballaktivitäten und Lernspiele helfen, Gewalt- und Drogenproblemen in den Flüchtlingscamps entgegenzuwirken, Stress abzubauen und traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Auch Sportaustausche finden statt. Im Sommer 2019 hatte der Fußballclub "FC Ente Bagdad-Weltfußball aus Mainz" eine ruandische Mannschaft zu Gast und ein Gegenbesuch ist geplant.
Margit Sponheimer, Mainzer Ehrenbürgerin, setzt sich für Ruanda ein. Sie unterstützt die Kinderhilfsorganisation Human Help Network bei Projekten für sogenannte Kinderfamilien, die ohne Eltern aufwachsen und in denen ältere Brüder oder Schwestern die Verantwortung für die Familie übernehmen.
Eine zehntägige Fachfrauenreise nach Ruanda trug den Titel "Selbstbestimmtes Leben von Frauen in Ruanda und Rheinland-Pfalz". Sieben Frauen aus verschiedenen Mainzer Einrichtungen wie dem Frauennotruf, der pro familia und der Universitätsklinik besuchten im Dezember 2018 Einrichtungen in Kigali, Huye und Ruhango. Es wurden Perspektiven für eine Zusammenarbeit im Bereich Methodik und Organisation von Selbsthilfegruppen entwickelt.
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Ministerium des Innern und für Sport
Referat "Partnerland Ruanda/Entwicklungszusammenarbeit"
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Michael Nieden
Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda e.V.
Fuststraße 4
55116 Mainz
Telefon: +49 6131 16-3356
Telefax: +49 6131 16-345
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c/o Naturhistorisches Museum
Freundschaftskreis Mainz-Kigali
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